Beda Venerabilis: De Temporum Ratione

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LXIII: Der Unterschied zwischen Passah und der Zeit der ungesäuerten Brote

Nach seinen Ausführungen über die Beachtung des Osterfestes hält es Beda für angebracht, ausgehend vom Gesetz des Alten Testamentes, verknüpft mit Aussagen der Evangelien, den Unterschied zwischen Pascha und der Zeit der ungesäuerten Brote darzulegen.

Bis heute ist Bedeutung und Herkunft des Wortes "Pascha" nicht geklärt. Beda zitiert aus der Vulgata, in der es heisst: "phase id est transitus Domini". Luther übernimmt diesen Zusatz nicht und übersetzt: "des Herrn Pascha".

Der Tag des Pascha, das ist das Vorübergehen des Herrn, ist der 14. Tag des ersten Monats, an dem gegen Abend das Lamm zu opfern ist. In der folgenden Nacht ging der Herr vorüber, schlug die Erstgeborenen der Ägypter, die Häuser der Söhne Israels, die durch das Blut des Lamms gezeichnet waren, dabei verschonend. Die folgenden sieben Tage, vom 15. bis zum 21. eben dieses Monats, werden dann die Zeit der ungesäuerten Brote genannt.

Im 2. Buch Moses, in dem aufgetragen ist, das Lamm am 14. Tag des ersten Monats zu schlachten, heisst es dann: " und ihr sollt's essen, als die hinwegeilen; denn es ist des Herrn Pascha" (2. Moses 12, 11). Ferner: "In derselben Nacht will ich durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland" (2. Moses 12, 12). Kurz danach heisst es: "Und wenn eure Kinder werden zu euch sagen: Was habt ihr da für einen Dienst? sollt ihr sagen: Es ist das Passahopfer des Herrn, der an den Kindern Israels vorüberging in Ägypten, da er die Ägypter plagte und unsre Häuser errettete" (2. Moses 12, 26). Wiederum im Leviticus: "Am vierzehnten Tag des ersten Monats gegen Abend ist des Herrn Passah. Und am fünfzehnten desselben Monats ist das Fest der ungesäuerten Brote des Herrn; da sollt ihr sieben Tage ungesäuertes Brot essen. Der erste Tag soll heilig unter euch heissen, da ihr zusammenkommt; da sollt ihr keine Dienstarbeit tun. Und sieben Tage sollt ihr dem Herrn opfern." (3. Moses 23, 5 - 8).

Zum Beweis für die Richtigkeit seiner Darstellung des jüdischen Gesetztes zitiert Beda dann aus den "Antiquitates Iudaicae" des Flavius Josephus (geb. ca. 37/38 n. Chr., gest. Anfang des 2. Jahrhunderts): "Das Lamm wird geopfert am 14. Tag des ersten Monats. am 15. Tag folgt das Fest der ungesäuerten Brote, das sieben Tage gefeiert wird. Am zweiten Tag der Zeit der ungesäuerten Brote, das ist am 16. Tag des Monats, werden die Erstlingsfrüchte dargebracht."

Beda sucht nun, eine Verbindung herzustellen zwischen den gesetzlichen Vorschriften des Alten Testamentes und der Auferstehungsgeschichte der Evangelien und die dabei zutage tretenden Diskrepanzen im chronologischen Ablauf zu glätten.

Auch heute pflegt die Kirche die heiligen Gesetze in edler Art nachzubilden, indem sie die eine Nacht des Vorübergehens des Herrn (transitus dominici), das ist seiner Auferstehung von den Toten, vornehmlich schätzt. In ihr gewährte Er den Gläubigen durch den Triumph über die Gottlosen Rettung und wusch durch sein Blut, gleich dem Blut des unbefleckten Lammes, sein Volk aus dem Quell der Erneuerung rein von allen Sünden. Die folgenden sieben Tage fügt die Kirche als die passende Zeit zur Feier des Gedächtnis der Auferstehung des Herrn an. Da nun auch der Tag des Pascha vom Sauerteig freizuhalten ist, bezeichnet ihn der Evangelist als den ersten Tag der Zeit der ungesäuerten Brote: "Und am ersten Tag der ungesäuerten Brote, da man das Pascha opferte, sprachen seine Jünger zu ihm: Wo willst du, dass wir hingehen und bereiten, dass du das Pascha essest?" ( Markus 14, 12). Diesen 15. Tag des ersten Monats, mit dem die Tage der ungesäuerten Brote beginnen, bezeichnet er so wegen seiner Nähe zum Pascha, indem er sagt: "Und sie gingen nicht in das Richthaus, auf dass sie nicht unrein würden, sondern das Passahopfer essen möchten." (Johannes 18, 28). Und er tat dies nicht, weil die Schrift des Evangeliums dem Gesetz widerspricht, sondern weil er dies Sakrament durch die Verbindung dieser beiden Worte lebhafter in unser Gedächtnis einschärfen wollte.

Auch ohne genaue Erörterung können wir verstehen, dass ein jeder von uns der Mysterien der Osterfeier am Tage der Taufe bedarf, wo er der geistigen Vernichtung durch das Zeichen des kostbaren Blutes entrinnt und die geistige Finsternis überschreitet. Lasst uns während der ganzen Zeit unseres dahinschreitenden Lebens, die wir auf unserer Pilgerfahrt zurücklegen, die sieben Tage der ungesäuerten Brote feiern, wie der Apostel sagt, "nicht im Sauerteig der Bosheit und Schalkheit, sondern in dem Süssteig der Lauterkeit und Wahrheit" (1. Korinther 5, 8). Da wir in der Taufe aus der Gewalt des Satans heraus in den den Heiligen vorbehaltenen Teil hinüberzuschreiten trachten, müssen wir Aufrichtigkeit und Wahrheit anstreben. Gleichermassen sind wir gehalten, während der ganzen Zeit unserer Pilgerreise, einem steten Kreislauf der Siebenzahl der Tage, täglich voranzuschreiten und hinüberzugehen zum Besseren, und sind wir unterwiesen, so wie wir gleichsam zur Zeit des Pascha uns von Ungesäuertem nähren, zur Zeit der ungesäuerten Brote das geistige Pascha zu vollziehen.

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