Beda Venerabilis: De Temporum Ratione

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LXIV: Die Symbolik des Osterfestes

Beda sucht hier die alexandrinische Osterrechnung weg von einer reinen Rechenformel in einen symbolhaften Zusammenhang mit den Mysterien des Osterfestes zu stellen:

Vor allem ist Ostern immer zu feiern nach dem Äquinoktium. Die jährliche Feier des Tages, an dem der Mittler zwischen Gott und den Menschen nach Überwindung der Finsternis der Welt das Licht brachte, zeigt dann am besten ihren inneren Sinn auch nach aussen hin, wenn sie gehalten wird in der Zeit, da im Jahreslauf das Licht der Sonne seinen Sieg über den Schatten der Nacht erringt.

So beachten wir auch, dass wir Ostern im ersten Monat feiern, denn dies ist der Monat, in dem die Welt geschaffen und der erste Mensch ins Paradies gestellt wurde. Wir hoffen, durch das Mysterium der Osterfeier in das himmlische Reich zurückkehren zu können, wie Petrus schreibt: "Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde nach seiner Verheissung, in welchen Gerechtigkeit wohnt" [2. Petrus 3, 13]. Johannes sagt in der Offenbarung: "Und der auf dem Stuhl sass, sprach: Siehe, ich mache alles neu!"

Ferner feiern wir Ostern in der dritten Woche dieses ersten Monats. Denn in dieser Woche ist der Herr auferstanden. Er ist auferstanden am dritten Tag des dritten Weltalters. Das erste Weltalter zeichnete Er aus durch das natürliche Gesetz der Väter, das zweite durch das geschriebene Gesetz der Propheten, das letzte aber durch die Gnadengabe seiner selbst.

Auch die Umdrehung des Mondes bietet uns ein sehr schönes Bildnis des himmlischen Sakraments. Der Mond in seiner runden Gestalt erhält sein Licht von der Sonne. Daher ist immer die eine Hälfte, die der Sonne zugewandt ist, erleuchtet, die andere aber dunkel. Vom ersten Tag eines Monats bis zum 15. nimmt das Licht auf der der Erde zugewandten Seite immer mehr zu, auf der dem Himmel zugewandten Seite immer mehr ab, vom 15. bis zum Monatsende dreht er sein Licht von der Erde weg immer mehr dem Himmel zu. So zeigt seine Drehung genau die Mysterien der Osterfreude, in denen wir gelehrt wurden, unseren Geist von den vergänglichen äusserlichen Vergnügungen hinweg allein dem Licht der himmlischen Gnade emporzuheben. Wir können auch das zunehmende Licht des Mondes verstehen als Zeichen der zunehmenden Gnade, mit der der fleischgewordene Herr die Welt erleuchtete, von dem geschrieben ist: "und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen" (Lukas 2, 52). Wendet der Mond nun sein Licht wieder dem Himmel zu, zeigt dies die Herrlichkeit der Auferstehung und der Himmelfahrt des Herrn, der wieder auferstanden von den Toten, sich erst einem, dann vielen, dann all seinen Jüngern zeigte, und der sie, als er gen Himmel fuhr, anwies: "und werdet meine Zeugen in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Welt" (Apg. 1, 8). Wenn der Mond in unseren Augen zunimmt, zieht er sich von der Sonne zurück, wendet er sich dem Himmel zu, so kehrt er in gleichem Masse zu ihr zurück. Das ist, was der Herr selbst sagte: "Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater" (Joh. 16, 28). Im Psalter heisst es: "und sie geht auf an einem Ende des Himmels und läuft um bis wieder an sein Ende" (Psalm 19, 7). So spiegelt der zunehmende Mond die Gelehrsamkeit und Vorzüglichkeit unseres Erlösers von seiner Fleischwerdung bis zur seiner Passion wieder, der abnehmende und allmählich unsichtbar werdende Mond hingegen die Wunder seiner Auferstehung und der folgenden Herrlichkeit. Daher ist die angemessene Zeit für die Osterfeier ab dem 15. Tag des Monats.

Diesen aus der Beachtung des Gesetzes gewonnenen Merkmalen des Osterdatums fügen wir, die Erben des Neuen Testamentes, den Sonntag hinzu, den Tag, den man den ersten nennt. Aus gutem Grund, ausgezeichnet durch die Schaffung des ersten Lichtes, gekennzeichnet durch den Triumph der Auferstehung des Herrn, bleibt er von uns immer ersehnt in Aussicht unserer eigenen Auferstehung. Diese sieben Tage des Monats, vom 15. bis zum 21., auf die dieser Sonntag fallen kann, verkünden deutlich die Universalität der Kirche, die auf der ganzen Welt durch die österlichen Mysterien erlöst ist. Auch kennzeichnet die Zahl Sieben in der Schrift häufig die Gesamtheit. Wenn der Prophet schreibt: "ich lobe dich des Tages siebenmal" (Psalm 119,164), so ist das nicht anders zu verstehen als wenn er an anderer Stelle sagt: "Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein" (Psalm 34, 2). Und dass damit die gesamte Vollkommenheit der katholischen Kirche beschrieben wird, bezeugt Johannes, der, wenn er an die sieben Kirchen Asiens schreibt, die Mysterien der gesamten Kirche des Erdkreises offenbart. In allen seinen Ermahnungen, die er den sieben Kirchen schreibt, pflegt er die Wendung einzufügen: "Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt" (Apocalyp. 2, 7), und er zeigt damit, dass was einer Kirche gesagt wird, allen Kirchen gesagt ist.

Genausosehr bieten uns die Zeiten für Ostern eine ethische Deutung: Im Wort "Pascha" selbst, damit wir täglich den geistigen Weg von unseren Fehlern zur Tugendhaftigkeit gehen, im Monat "der neuen Früchte", in dem die herangereiften Früchte das Ende der alten ankünden, damit wir "ausziehen den alten Menschen mit seinen Werken" (Kolosser 3, 9) und uns erneuern "im Geiste und wir anziehen den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Epheser 4, 23 - 24). Lasst uns, gestärkt durch vielerlei Tugenden, gleichsam eingehüllt durch deren Blätter, zur Zeit des Vollmondes gleich üppig blühenden fruchtbaren Feldern emporspriessen, damit wir, die wir den vollkommenen Glanz des Glaubens und des Verstandes in uns tragen, uns trennen von der Finsternis der Sünde. Wenn sich dann das gleiche Licht des Mondes erneut dem Himmel zuwendet, was mit dem 15. Tag beginnt, werden wir im gleichen Masse, wie wir gross waren, wieder erniedrigt, und ein jeder spricht mit dem Apostel: "Aber von Gottes Gnade bin ich, was ich bin" (1. Korinther 15, 10). Da nun dieser himmlische Gnadenerweis im dritten Zeitalter der Welt ausgeschüttet worden war, bietet die dritte Woche des Monats ein schönes Gleichnis, in der das Licht des Mondes, das bisher zur Erdseite hin zugenommen hatte, nun der Himmelsseite gegenüber zuzunehmen beginnt. Wir wurden gelehrt, dies bei der Osterfeier gut zu beachten, damit wir, niemals vergessend der Gnade, die wir empfangen haben, immer darauf bedacht sind, auf jeder Stufe unseren geistigen Weges in Gehorsam gegenüber dem grosszügigen Spender dieser Gnade diese zu vergelten. So gibt sicher der Mond, wenn er den Menschen gegenüber zunimmt, ein schönes Gleichnis für unser tätiges Leben, umgekehrt dann für unser auf das Himmlische ausgerichtete Leben. Die ersten Phase kennzeichnet die Liebe zu unserem Nächsten, die anderen Phase die Liebe zu unserem Schöpfer; die eine ermahnt uns, öffentlich gute Werke zu tun, die andere dies allein zu tun um des himmlischen Lohns willen: die eine bedeutet: "Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen (Matt. 5, 16), die andere: "und preist euren Vater im Himmel " (ibid.).

Am Sonntag, dem nach dem Neuen Testament allein passendem Zeitpunkt für die jährliche Feier, werden wir gelehrt, in Hoffnung auf unsere künftige Auferstehung in Christo alle Widrigkeiten und sogar den Tod zu ertragen. Wir hören vom Apostel: "So nun der Geist dessen, der Jesum von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird auch derselbe, der Christum von den Toten auferweckt hat, eure sterblichen Leiber lebendig machen um dessentwillen, dass sein Geist in euch wohnt" (Römer 8, 11). Da nun die Gnade dieses Geistes siebenfach ist, kann sie als die Zahl der sieben Mondtage, die der erste Wochentag, der Sonntag, durchläuft, verstanden werden.

Wer aber mehr über das Mysterium der Osterzeit wissen will, der lese den Brief des Hl. Augustinus an Januarius über die Osterberechnung.

 

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