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N A. B Der Osterstreit
 
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Der kanonische Osterzyklus der Alexandriner

Zu Beginn des vierten Jahrhunderts entwickelte sich aus der Ostertabelle des Anatolius die alexandrinische Osterberechnung in ihrer endgültigen Form. Diese Umstellung dürfte in mehreren Schritten vorgenommen worden sein, die heute nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden können, und wurde sicher auch durch das Konzil von Nikäa beeinflusst.

Nach dem Evangelium fand die Auferstehung Jesu am Sonntag nach dem jüdischen Passah statt. Der Jahrtag dieses Ereignisses, das hochheilige Osterfest, ist daher ebenfalls am Sonntag nach dem Passah zu feiern. Das Konzil von Nikäa hat dies 325 ausdrücklich bekräftigt und vor allem betont, das die Christen den Passahtag selbst, das heisst unabhängig von der Synagoge, nach den Vorgaben des Alten Testaments zu bestimmen haben. Im 2. Buch Moses, Kapitel 12, steht geschrieben, dass Gott den Israeliten in Ägypten befohlen habe, am 14. Tag des "ersten Monats", des Frühlingsmonats Abib, später Nisan genannt, ein Lamm zu schlachten und mit seinem Blut die Türpfosten zu bestreichen, damit Gott sie vor seiner Strafe an den Ägyptern bewahre und sie aus der Knechtschaft des Pharao rette. Dieser Frühlingsmonat war ein Mondmonat, der mit der Sichtung der neuen Mondsichel nach Neumond begann, sein 14. Tag war daher der Tag des Vollmonds.

Anatolius hatte als den Tag des Äquinoktiums den 26. Phamenot (22. März) angesehen. Nun wurde dieser Tag des Frühlingsbeginns den astronomischen Verhältnissen genauer angepasst und um einen Tag vorverlegt. Forthin betrachteten die Alexandriner jenen Monat als den biblischen "ersten Monat", dessen 14. Tag, die Luna XIV, auf den 21. März fällt oder diesem Tag unmittelbar folgt. Ferner wurde der Mondzirkel des Anatolius umgestellt und der in Ägypten allgemein üblichen Zählung der Jahre nach dem Regierungsantritt Kaiser Diokletians, den "anni Diokletiani", angepasst. Das Jahr 1 anni Diokletiani, das am 29. August 284 des julianischen Kalenders begann, wurde zum ersten Jahr eines 19jährigen Zyklus. Der "saltus lunae" wurde um ein Jahr verschoben und an das Ende des Zyklus gelegt. Hierdurch wanderte die Luna des ersten Zyklusjahres vom 11. Pharmuthi (6. April)) auf den 10. Pharmuthi (5. April). Von da aus schreitet sie jedes Jahr um 11 Tage zurück. Fällt dieser "Vollmondtag" auf ein Datum vor dem 25. Phamenoth (21. März), muss der folgende Vollmond, der 30 Tage später eintritt, genommen werden, also ein Schaltmonat eingeschoben werden.

Die folgende Tabelle zeigt die 19 möglichen Daten für den "Frühlingsvollmond" in der alexandrinischen Osterberechnung:

  Zyklusjahr
Luna XIV Epakte
1 10. Pharmuthi  5. April 0
2 29. Phamenot 25. März 11
3 18. Pharmuthi 13. April 22
4  7. Pharmuthi  2. April 3
5 26. Phamenot 22. März 14
6 15. Pharmuthi 10. April 25
7  4. Pharmuthi 30. März 6
8 23. Pharmuthi 18. April 17
9 12. Pharmuthi  7. April 28
10  1. Pharmuthi 27. März 9
11 20. Pharmuthi 15. April 20
12  9. Pharmuthi  4. April 1
13 28. Phamenot 24. März 12
14 17. Pharmuthi 12. April 23
15  6. Pharmuthi  1. April 4
16 25. Phamenot 21. März 15
17 14. Pharmuthi  9. April 26
18  3. Pharmuthi 29. März 7
19 22. Pharmuthi 17. April 18

Der alexandrinische Osterzyklus besticht einerseits durch seinen klaren Aufbau, folgt aber andererseits den Bewegungen von Sonne und Mond erstaunlich gut. Bis heute bildet er die Grundlage der Osterrechnung aller Christen.

Die Ostertafel des Theophilus

So wie in Rom die dortige Ostertafel den Bischof bei der Osteransetzung nicht band, so war dies auch in Alexandria unter der Ägide des Athanasius der Fall. Dies änderte sich, als der machtbewusste Theodosius zwischen 388 und 395 eine Ostertafel veröffentlichte, die er in schwülstigen Worten dem Kaiser widmete. Damit erhob er die alexandrinische Osterrechnung zu einem von niemandem mehr veränderbaren Gesetz. Eine Absprache mit Rom konnte es fortan nicht mehr geben. Die eigentliche Ostertafel ist verloren gegangen, erhalten ist jedoch der Prolog einschliesslich des Dedicationsbriefes an den Kaiser in lateinischer Übersetzung sowie teilweise im griechischen Original[1] Der Patriarch betont in seinem Vorwort, dass viele in der richtigen Bestimmung des Osterdatums fehlen. Sie legen Ostern nicht in den ersten Monat sondern in den Monat, der bei den Hebräern der letzte des Vorjahres ist, denn sie beachten nicht, dass der Tag des Frühlingsbeginns der 21.März ist und der Monat, dessen Luna XIV vor diesem Tag liegt, nicht der Frühlingsmonat ist. Dies richtet sich wohl auch gegen die Osteransetzungen Roms. Andere hingegen, schreibt der Patriarch weiter, irren darin, dass sie, wenn der Ostervollmond auf einen Sonntag fällt, die Osterfeier nicht um eine Woche verschieben. Dies zeigt, dass es damals auch im Osten, nicht nur in Britannien und Irland, Gruppen gab die eine Ostergrenze Luna XIV - Luna XX kannten, vielleicht in Nachfolge der ursprünglichen Osterrechnung des Anatolius.

Die Tafel beginnt mit dem Jahr 380 n. Chr., dem 1. Konsulat des Theodosius, das auch das erste Jahr eines 19jährigen Mondzyklus ist. Sie umfasst nach den Worten des Prologs 100 Jahre, nicht wie üblich 95 Jahre, reicht also vom Jahr 380 bis zum Jahr 479. Rom besass eine Abschrift, anhand der sie die alexandrinischen Ostertafeln überwachen konnten. wie aus den Dokumenten zum Osterstreit der Jahre 444 und 455 hervorgeht.[2].

Die alexandrinische Weltära

Etwa gleichzeitig mit der Erstellung der Ostertafel durch Theodosius entwickelte der Mönch Panodoros eine Weltära, die auf der Osterberechnung aufbaute und die kurze Zeit darauf von seinem Zeitgenossen Anianos, ebenfalls ein ägyptischer Mönch, noch einmal überarbeitet wurde. Ausgangspunkt der Überlegungen von Panodoros war das Jahr 77 der Ära Diocletiani, das am 29. August 360 n. Chr. begann und in dem Panodoros den Beginn eines neuen grossen Osterzyklus von 532 Jahren sah. Von hier aus rechnet er 11 grosse Osterzyklen gleich 11 * 532 Jahren zurück und legte somit den Ausgangspunkt seines Kalenders auf den 29. August des Jahres 5493 a. Chr. n. (29. 8. -5492 astronom. Zählung). Dass im Jahr 77 (361 julianischer Osterrechnung) ein neuer Sonnenzirkel beginnen soll, verwundert etwas, denn dieses Jahr beginnt mit einem Dienstag. Sehr viel besser geeignet wäre es gewesen, einen neuen grossen Osterzyklus 17 Mondzirkel oder 323 Jahre später beginnen zu lassen, den dann würde der Sonnenzirkel mit einem Sonntag beginnen[3]. Aber das lässt sich natürlich nicht mit einer Weltära in Einklang bringen. Nach dem um das Jahr 800 verfassten Bericht des Synkellos betrachtete er das Jahr 5493, das am 29. September 1 n. Chr. begann, als das Jahr der Fleischwerdung des Herrn.[4] Gemeinhin gehen christliche Chronologen allerdings davon aus, dass zwischen der Erschaffung der Welt und der Geburt Christi 5500 Jahre liegen, Jesus wäre somit im Jahre 5501 geboren, das am 29. August 8 n. Chr. begann. Eine derartige Zählung ist bis heute unter koptischen und äthiopischen Christen neben der Weltära in Gebrauch.[5]

Der alexandrinische Computus

Um die Wende zum fünften Jahrhundert begann man in Alexandria, die einfachen Ostertabellen zu einem allumfassenden lunisolaren Kalender auszubauen, zum alexandrinischen Computus. Das solare Jahr war durch den bürgerlichen Kalender vorgegeben. Nach den Vorgaben des Osterzyklus und somit nach den Vorschriften des Alten Testaments entwickelte man ein Mondjahr, das kunstvoll mit dem Sonnenjahr verknüpft wurde. Der grosse Unterschied zum Kalender der Juden war, dass der Schaltmonat an das Ende des Jahres gelegt wurde. Dieser Comnputus besticht durch seine Klarheit. Alle Versuche des Abendlandes, einen ähnlichen Computus auf Grundlage der römischen Zeitrechnung aufzubauen, wirken dagegen stümperhaft.

Der cyclus lunaris und die byzantische Weltära

Kaiser Konstantin hatte die Stadt Byzans, zu seinen Ehren später in Konstantinopel umbenannt, zur Hauptstadt erhoben. Durch die Nähe zur Macht wurde in den folgenden Jahrhunderten aus dem ehemals bedeutungslosen Episkopat von Byzans der mächtigste Bischofssitz im Osten, Alexandria verlor immer mehr an Einfluss, auch wenn sein Ansehen in der Osterberechnung weiterhin unbestritten blieb. Seit der Mitte des vierten Jahrhunderts gab es im Orient nur noch die alexandrinische Osterrechnung, sieht man von einigen unbedeutenden Sektierern ab, die zugeschnitten war auf den ägyptischen Kalender. In Konstantinopel galt jedoch der julianische Kalender Die einzige Abweichung vom Kalender Roms war, dass man das Jahr nach östlicher Tradition mit dem September beginnen liess. Wie in Rom gab es keine feste Ära für die Zählung der Jahre. Der Gebrauch der "anni Diocletiani" beschränkte sich im wesentlichen auf Ägypten, in Konstantinopel waren sie kaum bekannt.[6] Die alexandrinische Weltära einfach zu übernehmen, dazu war Konstantinopel nicht bereit, man entwickelte eine neue. Diese unterscheidet sich um 16 Jahre von der des Panodoros. Das Jahr 1 dieser Zählung fällt auf den 1. September 5509 vor Chr. (01.09. -5508 astronom. Zählung). Der Grund hierfür soll gewesen sein, dass man die Ära mit der Indiktion I beginnen lassen wollte. Das Jahr 1 der alexandrinischen Weltära hat Indiktion II, um auf Indiktion I zu kommen musste man daher den Beginn um 16 Jahre zurück (oder um 14 Jahre vorverlegen). In der alexandrinischen Ära ist jedes Jahr, das durch vier geteilt den Rest 3 ergibt, ein Schaltjahr. Dies wollte man beibehalten, daher kam nur die Verschiebung um 16 Jahre in Frage. Das Jahr 1 dieser byzantinischen Weltära wurde zum Beginn eines Sonnenzirkels erklärt, es war auch das erste Jahr eines Indiktionszirkel. Um es auch zm Beginn eines Mondzyklus zu machen musste man sich einen neuen Mondzirkel ausdenken. Dieser "cyclus lunaris" wird häufig byzantinischer oder jüdischer Mondzirkel benannt. Das erste Jahr entspricht dem vierten Jahr des alexandrinischen Mondzirkels, an der alexandrinischen Osterrechnung ändert dies nichts.[7]


Anmerkungen

1 Edition dieses Prologs bei Krusch 1880, S. 220 -226
2 siehe unten Ostern 455
3 Vergleiche hierzu die Tabelle in dem Artikel Der Computus der Alexandriner und in dem Artikel Die Epakte.
4 Ginzel, 1914, Bd. III, S. 289
5 Vergleiche hierzu den Artikel Die Zeitrechnung der Alexandriner / Kopten und der Abessinier / Äthiopier
6 Rühl 1987, S. 186
7 Ginzel 1914, Bd. III, 288 ff.; Rühl 1897, S, 194; Schwarz 1905, S. 21.

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