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N A. B Der Osterstreit
 
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Das Ende des Osterstreits

Nachdem es zu Beginn des sechsten Jahrhunderts noch einmal eine heftige Auseinandersetzung um den richtigen Ostertermin zwischen Rom und Konstantinopel gegeben hatte, bemühte man sich seit Papst Hormisdas zunehmen um einen Ausgleich in dieser Frage. Mit seinen Veröffentlichungen hatte Dionysius Exiguus die Osterrechnung der Alexandriner auch für die Lateiner verständlich gemacht. Die Ansicht, das Konzil von Nikäa habe diese Osterrechnung verbindlich festgelegt, war inzwischen weit verbreitet, selbst in der Kurie neigte man dazu. Auch waren die althergebrachten römischen Ostergrenzen inzwischen bedeutungslos geworden. In den vergangenen hundert Jahren wurde immer wieder die Ostergrenze 21. April überschritten. Auch gab es keinen Grund mehr, Ostern in der Zeit 22 bis 25 April abzulehnen, denn der ursprüngliche Anlass, die ausschweifenden Stadtfeiern, gab es nicht mehr, Zirkusspiele und Wagenrennen waren abgeschafft. Die Luna XVI als frühesten Termin für den Ostersonntag war nicht mehr unumstritten, denn die römische Befürchtung, Ostern an Luna XV sei zeitgleich mit den Juden und Quartadecimanier, teilte kaum einer mehr. Den Brief des Patriarchen Proterius an Papst Leo, in dem die theologische Begründung für den alexandrinischen Osteransatz und für den Zeitraum Luna XIV bis XXI gegeben wurde, hatte Dionysius aus den Archiven geholt. In seiner Übersetzung verbreitet sich dieses Schreiben rasch im gesamten lateinischen Raum.

In Rom war man nun offensichtlich grundsätzlich bereit, zugunsten einer Einheitlichkeit der Osterfeier, wie sie – allseitig anerkannt – auf vielen Konzilien immer wieder gefordert worden war, auf von Alexandria und Konstantinopel abweichende Daten zu verzichten. Dies bedeutete allerdings nicht, dass die Ostertafel des Victorius beiseite gestellt wurde. Eine neue Ostertafel hatte in Rom nie die alten verdrängt. Und immer wieder gab es Auseinandersetzungen zwischen Gruppierungen, denen die Einheitlichkeit mehr am Herzen lag, und anderen, die die Unabhängigkeit Roms auch durch eine eigene Osteransetzung demonstrieren wollten. Auch war der Einfluss Roms auf in den Provinzen teilweise recht gering. So stellte im Jahre 541 die vierte Synode von Orleans, an der nahezu alle fränkischen Bischöfe teilgenommen hatten, fest, das Osterfest solle von allen Priestern zur gleichen Zeit "nach der Ostertabelle des Victorius" gefeiert werden. Sollte es allerdings Zweifel geben, was bei den häufigen Doppeldaten des Victorius vorhersehbar war, so sollten die Metropoliten die Entscheidung Roms einholen[1]

Das Jahr 550 brachte die gleiche Konstellation wie das Jahr 455. Alexandrien setzte Ostern auf den 24. April, Victorius auf den 17. April, allerdings mit dem Vermerk: "Graeci 24. Apr." Kurz zuvor schrieb Bischof Victor von Capua, ein gelehrter Mann, der auch das Griechische sehr gut beherrschte, eine Schrift über das Osterfest, von der nur wenige Bruchstücke erhalten sind. Victor von Capua setzte sich vehement für die alexandrinische Osterrechnung und nahm scharf Stellung gegen Victorius. Beda zitiert ihn zweimal.[2]

Die Arbeiten des Dionysius fanden allmählich immer weitere Verbreitung. Im Jahr 562 erschien ein kleiner Osterkanon, der vermutlich fälschlicherweise Cassiodor zugeschrieben wurde. Es handelt sich hier um nichts anderes als um eine wortwörtliche Abschrift der Argumenta paschalia des Dionysius. Während Dionysius allerdings als Beispieljahr das Jahr 535 herangezogen hatte, wurden hier die Daten auf das Jahr 562 umgerechnet, dem Jahr, in dem diese Schrift gefertigt worden sein dürfte.[3] Cassiodor war es auch, der in seinen "Institutiones" die Lektüre des "Pinax" des Dionysius seinen Mönchen dringend empfiehlt.[4]

In der Mitte des sechsten Jahrhunderts war der Osterstreit schon weitgehend beigelegt. Im gesamten Osten des Reiches wurde Ostern nach den Regeln der Alexandriner gefeiert. Es gab dort keine abweichende Gruppen mehr, die Quartadecimanier, die Protopaschisten und alle anderen Sektierer mit eigener Osterbestimmungen gehörten der Vergangenheit an. Auch in Norditalien, in Mailand und Ravenna, richtete man sich seit langem nach Byzanz. Die Päpste von Rom beanspruchten zwar weiterhin das Recht, Ostern nach ihren Vorstellungen zu verkünden zu können und immer noch wurden auch die Tafeln des Victorius herangezogen, im Zweifelsfall wählten sie aber um der Einheit des Glaubens willen die unter der Bezeichnung Graeci angeführten alternativen Daten, so dass nur noch selten abweichende Termine verkündet worden sein dürften. Allerdings gibt es kaum verlässliche Angaben über die römischen Ostertage dieser Zeit.

Im äussersten Westen aber, in Teilen Galliens, in England und Irland, gab es immer noch eine eigene von Rom oder dem Osten unabhängige Osterbestimmung. Der alte 84jährige Zyklus wurde weiter verwendet, Ostern im Zeitraum Luna XIV bis XX gefeiert. In zahlreiche Synoden wurde in Britannien um die Einheit der Kirche und um die Osterfrage gerungen. Von Rom kamen hierzu immer wieder Sendschreiben.

Der Brief von Papst Vitalian an König Oswy: Ein bemerkenswertes Ereignis fand im Jahr 667 statt. Von den Königen Oswy und Egbert wurde ein Priester namens Wighard nach Rom geschickt damit er dort vom Papst zum Bischof geweiht werde. Kurz nach seiner Ankunft verstarb er dort. Papst Vitalian schickte daraufhin ein Schreiben an König Oswy, Beda Venerabilis zitiert diesen Brief in seiner Kirchengeschichte ausführlich, er dürfte ihm vorgelegen haben. Der Papst spricht unter anderem auch die Ermahnung aus, in allen Dingen, so auch in der Osterfeier den Regeln der heiligen Aposteln Petrus und Paulus, als deren Nachfolger er sich ja sah, zu folgen. Dann unterbricht Beda das wörtliche Zitat, schreibt nur: " Und nachdem einiges über das wahre Ostern, wie es auf der ganzen Welt zu feiern sei, gesprochen wurde, sagt er (der Papst), ...." Hier fährt Beda mit dem wörtlichen Zitat des Briefes fort. [5] In seiner Quellenedition zu Dionysius Exiguus bringt Bruno Krusch einen kleinen Abschnitt der überschrieben ist: "Vitalius papa urbis Rome". [6] Hierin wird festgestellt, dass das Osterfest nicht anders als nach den Regeln des Konzils von Nikäa, das ist nach der Berechnung des Cyrill und des Dionysius, zu feiern sei. Die Tabelle des Victorius sei vom Apostolischen Stuhl nicht anerkannt, man dürfe ihr nicht folgen. Diese Darstellung gibt Rätsel auf. Man fragt sich, warum Beda in seiner Kirchengeschichte die entscheidende Stelle ausgelassen haben soll. Sechs Jahre vorher, in seinem Werk über die Zeitrechnung, kämpft er vehement für die Osterrechnung des Dionysius, ohne darin irgendeinen Hinweis zu geben, dass Rom diese Osterrechnung bereits sanktioniert habe. Andererseits fragt man sich, wieso das von Krusch herausgegebene Fragment, so unvermittelt als Anhang einer Schrift von Dionysius auftaucht, ohne dass der Rest des Briefes irgendwo erwähnt wird.

Letztendlich ist der endgültige Sieg der alexandrinischen Osterrechnung dem Kirchenlehrer Beda Venerabilis zu verdanken, der in seinem 725 entstandenen Werk über die Zeitrechnung mit aller Entschiedenheit für Dionysius Exiguus und somit für die Alexandriner eintritt. Ausführlich und mit grosser Klarheit erläutert er alle Einzelheiten der Osterrechnung und wird zum Begründer eines neuen Zweiges der Wissenschaft, der Komputistik.

Als dann auch noch Ende des 9. Jahrhunderts die letzten Briten ihren Widerstand gegen die neue Osterrechnung aufgaben, war endlich erreicht, was einst Kaiser Konstantin gefordert hatte: alle Christen feierten Ostern an ein und demselben Tag.

Der Osterstreit war beendet.


Anmerkungen

1 "Placuit itaque Deo propitio, ut sanctum oascha secundum laterculum Victorii ab omnibus sacerdotibus uno tempore celebratur. Quae festivitas annis singulis ab episcopo epiphaniorum die in ecclesia populis denuncietur.De qua solemnitate quoties aliquid dubitatur, inquisita vel agnita per metropolitanos a sede apostolica sacra teneatur." zitiert nach Krusch, 1984, S.125. Vgl. auch Jones 1941, S. 65. Siehe ferner Bach, 1907, S. 18. Ferner: LexMA, Bd. 8, Sp. 1630.
2 Beda zitiert in an zwei Stellen, zum einen in seinem Brief an Wicthedum (Jones, 1943, S. 319 -325, hier S. 322), zum anderen in De temporum ratione, cap. 51 Vgl. auch: Polycarp, Fragments from Victor of Capua
3 Neugebauer 1982
4 Institutiones, cap XXV, Absatz 2 Internetlink
5 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum, III, 29, u.a. abgedruckt in MPL 95, Sp. 168 ff. (= S. 80 ff. des PDF-Dokuments): "
<<Quamobrem oportet vestram celsitudinem, utpote membrum existens Christi, in omnibus piam regulam sequi perenniter principis apostolorum, sive in pascha celebrandum sive in omnibus quae tradiderunt sancti apostoli Petrus et Paulus, qui ut duo luminaria caeli illuminant mundum, sic doctrina eorum corda hominum quotidie inlustrat credentium.>>
Et: post nonulla, quibus de celebrando per orbem totum uno vero pascha loquitur.
<<Hominem denique, inquit, ...." Internetlink englisch Internetlink lateinisch]
6 Krusch , 1938, S. 86. siehe Anhang: Link Über Herkunft und Bedeutung dieser Stelle zu verliert Krusch kein Wort. In einer früheren Schrift [Krusch 1926, S. 50 - 53] schreibt er diese Stelle Papst Vitalian zu, hält sie vermutlich für einen Auszug eines Briefes dieses Papstes an König Oswy. vgl. hierzu auch Jones, S. 102

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